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Das effiziente Ich

  • Audio "Das effiziente Ich" - Teil 1 (Oe1 13.1.2014)
  • Audio "Das effiziente Ich" - Teil 2 (Oe1 14.1.2014)
  • Audio "Das effiziente Ich" - Teil 3 (Oe1 15.1.2014)
  • Audio "Das effiziente Ich" - Teil 4 (Oe1 16.1.2014)

    [Compare: Sexism in Advertising]

    Von guten Vorsätzen und digitaler Selbstkontrolle (1). Gestaltung: Marlene Nowotny

    [http://oe1.orf.at/programm/360640] Radiokolleg - Das effiziente Ich Montag 13. Jänner 2014 09:05]

    Das neue Jahr ist wenige Tage alt, und schon schauen viele gute Vorsätze ziemlich alt aus. Was wollte man nicht alles anders machen im neuen Jahr, ganz im Sinne der Selbstoptimierung, wie sie allerorts gepriesen wird.

    Aus dem kleinen Ich wird ein großes, starkes, breites ICH, nur der Körper darf wieder schmäler werden. "Das effiziente Ich. Von guten Vorsätzen und digitaler Selbstkontrolle"- unter diesem Titel zeigt Marlene Nowotny in der ersten Folge der Reihe, was viele so tun, um endlich ganz anders als sonst ins neue Jahr zu starten.

    [Smartphone mit Messangaben]

    9233 Schritte gemacht; zweieinhalb Liter Wasser getrunken; 1820 Kalorien zu sich genommen; der Körperfettanteil liegt bei 14,8 Prozent, das Gewicht bei 62 Kilogramm; 6 Stunden geschlafen, 10 Stunden gearbeitet - 8 davon vor dem Computer; 23 Seiten aus einem Buch gelesen; 42 Euro ausgegeben; Blutdruck gemessen, Sauerstoffsättigung gemessen, Blutzucker gemessen. So in etwa sieht das Tagesprotokoll von Anhänger/innen der "Quantified Self"- Bewegung aus. Von Menschen, die ihren Alltag detailliert dokumentieren, mit dem erklärten Ziel sich selbst - ihren Körper und ihre geistigen Kapazitäten - zu optimieren.

    Das Phänomen ist nicht neu: Bereits Goethe protokollierte seine täglichen Aktivitäten, von der Anzahl seiner geschriebenen Seiten bis hin zu seinen Sozialkontakten, um den Überblick über seine Produktivität nicht zu verlieren. Doch die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts haben die Idee der Selbstoptimierung auf eine neue Stufe gehoben. Dank Laptops und Smartphones können die Daten aus der Selbstvermessung überall und zu jedem Zeitpunkt erfasst werden. Die Ergebnisse können im Rahmen von Facebook oder Internetforen mit anderen geteilt und besprochen werden und laufend in Diagramme über die eigene körperliche und geistige Performance einfließen. Sport und gesündere Ernährung, weniger Unterhaltung und mehr Hochkultur - gute Vorsätze am Beginn des neuen Jahres scheinen nicht länger zu reichen. Die Fortschritte zum "effizienten Ich" wollen gezählt, gemessen und dokumentiert werden.

    Die zugrunde liegende Ideologie scheint offensichtlich: Mache das Beste aus deinem Leben, deinem Körper und deinem Gehirn. Während die einen dieses Prinzip als übertriebene Leistungsideologie ablehnen und eine Entsolidarisierung der Gesellschaft befürchten, begreifen die Anhänger/innen der "Quantified Self"-Bewegung diese Selbstoptimierung als Chance auf persönliche Autonomie.

    Das Radiokolleg macht sich in dieser Woche auf die Suche nach den historischen Wurzeln der Selbstoptimierung, zeigt die aktuellen technischen Möglichkeiten der Selbstvermessung auf und fragt nach den sozialen Chancen und Risiken dieser selbstauferlegten Überwachung.


    [2] http://oe1.orf.at/programm/360701

    Von guten Vorsätzen und digitaler Selbstkontrolle (2). Gestaltung: Marlene Nowotny

    Ein GPS-System im Auto sagt uns, wie wir ans Ziel kommen und wo wir wann abbiegen sollen. Da ist es wohl naheliegend, dass es längst auch so etwas wie GPS-Systeme für den Alltag gibt- wie viele Schritte soll ich gehen, was soll ich zu mir nehmen, wie viel muss ich noch trainieren, damit ich ans Ziel komme, damit ich also gesund und fit vor dem Spiegel stehe.

    Erst kürzlich war in den Zeitungen zu lesen, dass ein deutscher Medienkonzern 50,1 Prozent an einem Linzer Sport-App-Entwickler übernimmt. Ein Millionendeal, der sich für die jungen Firmengründer bezahlt macht. Die Firma bietet verschiedene Sport- und Fitness-Apps an, die mit einem Webportal verbunden werden können. Über das Portal können Sport-Daten gespeichert und verwaltet werden, die User können sich individuelle Trainingspläne erstellen lassen.

    Bisher haben sich mehr als 19 Millionen User registrieren lassen, die Apps wurden mehr als 46 Millionen Mal heruntergeladen. Aktuell gibt es täglich mehr als 100.000 Downloads. Das Geschäft mit der Fitness floriert.


    [3] http://oe1.orf.at/programm/360759

    Von guten Vorsätzen zur digitalen Selbstkontrolle (3). Gestaltung: Marlene Nowotny

    Der Alltag kann ganz schön stressig sein. Man sollte pausenlos an sich arbeiten, sich selbst optimieren, erfolgreich sein oder zumindest so wirken. Der Arbeitsmarkt erwartet "starke Persönlichkeiten", wie in vielen Anforderungsprofilen und Stellenausschreibungen zu lesen ist.

    Was sollte man nicht alles sein: teamorientiert, konfliktfähig, eigeninitiativ, dynamisch, optimistisch, selbstbewusst, zuversichtlich, souverän, stressresistent, kreativ und natürlich sozial kompetent. Und diese Liste könnte man noch lange fortsetzen.

    Die "Persönlichkeitsbildung" liegt voll im Trend, das zeigen die Weiterbildungsprogramme des Österreichischen Wirtschaftsförderungsinstituts, kurz WIFI, das zeigt ein Blick auf die aktuellen Angebote. Persönlichkeits- und Selbstanalyse sind gefragt. Die digitale Selbstkontrolle und Selbstvermessung sollen dabei vielen helfen.


    [4] http://oe1.orf.at/programm/360868 Radiokolleg - Das effiziente Ich * Donnerstag 16. Jänner 2014 09:05

    Von guten Vorsätzen zur digitalen Selbstkontrolle (4). Gestaltung: Marlene Nowotny

    "Der Körperkult ist außer Kontrolle". Unter dieser Überschrift konnte man in einer österreichischen Tageszeitung Erschreckendes über Schönheits-Operationen lesen. Zahlen aus dem Jahr 2010 belegen 18,6 Millionen Behandlungen weltweit, aber man muss davon ausgehen, dass jährlich deutlich mehr Eingriffe im Dienste der Schönheit gemacht wurden als durch Studien belegt ist.

    Immer mehr Menschen legen sich- der Schönheit willen- unters Messer, und es sind inzwischen auch viele Männer darunter. In Venezuela, Brasilien oder auch in den USA wird ein Schul- oder Uni-Abschluss sogar gern mit einem Gutschein für eine Brustvergrößerung belohnt. Zu den meisten Eingriffen kommt es übrigens in Asien.

    Im vierten Teil der Reihe "Das effiziente Ich" über den Trend zur Selbstoptimierung und Selbstvermessung geht es um die Wahrnehmung des eigenen Körpers, der vielen nicht optimal genug erscheint. Da muss dann nachgeholfen werden, manchmal mit schlimmen Folgen.

    Es gibt freilich auch noch andere Möglichkeiten. Viele versuchen überflüssige Kilos durch digitale Selbstkontrolle und durch gezieltes Training loszuwerden.


    SERVICE Literaturliste:
    Stefan Selke: Lifelogging. Warum wir unser Leben nicht der Technik überlassen sollten. Econ Verlag, erscheint im Mai 2014
    Marlene Streeruwitz: Ware Mensch: Karl Kraus Vorlesungen zur Kulturkritik, Band 6, Bibliothek der Provinz, 2013
    Michael Girkinger: Einmal Glück und Erfolg, bitte! Über das Glück und seine Vermarktung in der Persönlichkeitsbildung. Eine Untersuchung zur Kultur der Selbstoptimierung, Tectum Verlag, 2012
    Robert Pfaller: Wofür es sich zu leben lohnt. Elemente materialistischer Philosophie. Fischer Verlag, 2011
    Ariane Greiner und Christian Grasse: Mein digitales Ich: Wie die Vermessung des Selbst unser Leben verändert und was wir darüber wissen müssen, Metrolit Verlag, 2013
    Michel Foucault: Über den Willen zum Wissen: Vorlesungen am Collège de France 1970/71, Suhrkamp Verlag, 2012
    Michel Foucault: Das Subjekt und die Macht. In: Hubert L. Dreyfus/Paul Rabinow: Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik. Beltz Athenäum Verlag, 1994
    Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus: Adorno-Vorlesungen 2004, Suhrkamp Verlag. 2006
    Eva Illouz: Die Errettung der modernen Seele: Therapien, Gefühle und die Kultur der Selbsthilfe, Suhrkamp Verlag. 2009
    Ulrich Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform, Suhrkamp Verlag. 2007

    Quelle: Radio Oe1


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